Markus Lanz (ZDF): Chrupalla gibt Westen Mitschuld - Putin „kein Kriegsverbrecher“

AfD-Politiker Chrupalla findet, dass Waffenlieferungen die Probleme im Ukraine-Krieg verstärken würden. Auch die USA hätten Kriegsverbrechen begangen.
Hamburg – Der „bekennende Helmut Kohl Fan“ Tino Chrupalla (Vorsitzende der AFD-Bundesfraktion) möchte mit der Deutschlandflagge am Revers bei Markus Lanz (ZDF) nicht medial „immer weiter Öl ins Feuer“ gießen und bietet dabei doch genug Stoff zum Feuern. Wo sind die guten politischen Antworten zu finden? Eva Quadbeck (stellvertretende Chefredakteurin vom „RedaktionsNetzwerk Deutschland“), Claudia Major (Sicherheitsexpertin) und Gerald Knaus (Soziologe) analysieren den Krieg in Osteuropa und dessen Folgen.
Trotzdem hält Tino Chrupalla daran fest, dass Waffenlieferungen die Probleme nicht lösen werden, im Gegenteil: „Damit wird der Konflikt nicht beendet, sondern verlängert.“ Er vergleicht den Krieg in der Ukraine „mit jedem Krieg“ in den letzten Jahren: Sei es Irak, Afghanistan oder Syrien. Auch da „gab es die gleichen Bilder“ in den Medien. Friedensgespräche und Neutralität für Deutschland, das wären politische Ansätze, die er begrüßen würde. „Die Verantwortung für diesen Krieg trägt Russland“, versucht Tino Chrupalla zu differenzieren. Aber die „Ursachen sind auch im Westen zu suchen“, denn auf „jede Reaktion folgt eine Gegenreaktion.“
Markus Lanz am 29. November 2022 im ZDF | Gäste der Sendung |
Claudia Major | Sicherheitsexpertin |
Eva Quadbeck | Stellvertretende Chefredakteurin vom RND |
Gerald Knaus | Soziologe |
Tino Chrupalla | AfD-Politiker |
Markus Lanz: Chrupalla gibt Westen Teil-Schuld am Ukraine-Krieg
Sind das relativierende Aussagen, die eine Distanz gegen den eigentlichen Aggressor schaffen sollen, hakt Markus Lanz nach. Gerald Knaus sieht Tino Chrupalla ganz in der Tradition der kommunistischen Führer der 40er-Jahre, die „egal, was Stalin damals gemacht hat“, immer Verständnis gezeigt haben. Und hinterher kam „das schreckliche Aufwachen“, was da eigentlich passiert ist. Den Versuch, mit Wladimir Putin zu sprechen, gibt es zudem „schon seit 2014“, erklärt Claudia Major. Und immer noch hat dieser keinerlei Interesse an Verhandlungen oder allenfalls eine Bereitschaft, „wenn die eigenen Bedingungen erfüllt werden.“
Und das hieße, die Annexion der weiteren vier Gebiete zusammen mit der Krim für Russland anzuerkennen. Sie sieht das alles als langfristige angelehnte Taktik, „die Bevölkerung zur Flucht zu bewegen.“ Wenn in der Ukraine die wirtschaftlichen Grundlagen zusammenbrechen und gezielte „Flüchtlingsströme in Richtung Westeuropa“ ausgelöst werden, die dort „die Balance durcheinanderbringen“, können alle Länder so weit geschwächt oder zermürbt werden, bis alle irgendwann doch in die Kapitulation der Ukraine einwilligen.
Eva Quadbeck hält Chrupallas Position für „unmenschlich und unverantwortlich“
Die bestehende Ordnung durcheinander bringen: Das hätte auch die AfD gerne in Deutschland. Was bringt es (für diese) also, „Putin als Kriegsverbrecher zu titulieren?“, relativiert Tino Chrupalla, für den Putin „kein Kriegsverbrecher“ ist. Es gibt auch „amerikanische Präsidenten, die ebenso Kriegsverbrecher sind“. Für ihn soll das ein zuständiges Gericht beurteilen, aber „es wird nie eine Verurteilung von Herrn Putin als Kriegsverbrecher geben“. Auf die Frage von Markus Lanz, was denn einen Kriegsverbrecher ausmacht, geht er zwar nicht ein, aber Georg W. Bush ist mit seiner Irak-Politik „absolut“ ein Kriegsverbrecher für ihn. Wenn in seinen Augen aber nur jemand ein Kriegsverbrecher ist, der ordentlich verurteilt wurde: Der wurde auch nie verurteilt, lacht da Eva Quadbeck spöttisch.
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Die Journalistin möchte nicht einfach „die Augen verschließen“ und Dinge „so hinnehmen und laufen lassen“. Es gibt „jetzt schon genug Beweise“, um ganz klar sagen zu können „dass dort Kriegsverbrechen geschehen sind“. Sie hält die Position von Tino Chrupalla „unmenschlich und unverantwortlich“. „Das ist nicht unser Krieg“, versucht dieser hartherzig zu kontern. Die Ukraine ist „weder EU noch Nato-Mitglied“, somit sei Deutschland auch zu keiner vertraglichen Hilfe verpflichtet, grinst der AfD-Politiker. „Wer definiert denn Völkerrecht?“
Bei Markus Lanz platzt Knaus der Kragen
Da platzt Gerald Knaus der Kragen, denn 100 Jahre zurückzugehen in eine Zeit, wo „Macht schafft Recht“ noch gezählt hat, „das kann es doch nicht sein!“ Es ist klar ein „Vernichtungskrieg, der die Ukraine von der Landkarte auslöschen soll.“ Während der Deutsche Bundestag erst kürzlich den Holodomor als Völkermord unter Stalin verurteilte, erreicht gerade in Russland die Rehabilitierung von Stalin immer neue Höhen, redet sich Gerald Knaus in Rage. Er sieht hier „eine klare Ideologie“ und kann nicht verstehen, „wie man in Deutschland sitzen kann“ und sagen kann „ich weiß nicht, ob der, der für alles verantwortlich ist“ nicht doch „vielleicht unschuldig“ sei.
Helsinki 1975 führt Markus Lanz da auf, wo die Vertreter von 35 Staaten des West- und Ostblocks nach den Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg die sogenannte „Helsinki Schlussakte“ unterzeichnet hatten: „Die Souveränität eines anderen Landes ist gefälligst zu respektieren und zu achten.“ Ein „Verständnis von: Großmächte haben mehr Rechte als die Kleinen“ widerspricht dem, stimmt ihm Claudia Major zu. Wenn „wir zulassen, dass Russland unter seinem nuklearen Schirm“ gegen die gesetzlichen Grundlagen nach seinem eigenen Gutdünken machen kann, was es will, schauen auch andere internationale Staaten darauf und ziehen ihre Konsequenzen. Das sei ein hochgradig gefährliches, „internationales Ordnungsproblem“.
Markus Lanz im ZDF Putin kennt laut Knaus „keine Grenzen“
„Zumal Wladimir Putin klar vermittelt hat, dass er das alte Sowjetreich zurück haben möchte“, erklärt Gerald Knaus. Und was passiert, wenn russische Truppen in einigen Jahren vor Polen oder Litauen stehen, die Nato-Mitglieder sind, und nach der Logik von Tino Chrupalla Deutschland dann auch vertraglich gebunden wäre, zu helfen? Ein Problem, das wie ein Krebsgeschwür, wenn es ignoriert wird, nur immer weitere Verschlechterungen mit sich bringt. Nach Gerald Knaus hat der russische Präsident „da keine Grenzen“ und „das deutsche und europäische Interesse“ sollte auf einer „stabilen Sicherheitsordnung“ liegen. Mit allen Mitteln. (Tina Waldeck)