Europa League

Historische Chance gegen West Ham: Wie Frankfurt im Europa-League-Halbfinale auf doppelte Revanche sinnt

Eintracht Frankfurt visiert gegen West Ham United das Finale in der Europa League an.

Eintracht Frankfurt visiert gegen West Ham United das Finale in der Europa League an.

Das Bekenntnis vor der nächsten Dienstreise von Eintracht Frankfurt klingt ehrlich: "Ich würde am liebsten meine Fußballschuhe mitnehmen", sagt Karl-Heinz Körbel, Bundesliga-Rekordspieler, Markenbotschafter und Leiter der Fußballschule des hessischen Bundesligisten. Inzwischen hat der 67-Jährige so oft detailgetreu die Umstände vom verlorenen Halbfinale im Europapokal der Pokalsieger am 14. April 1976 bei West Ham United (1:3) nacherzählt, dass der ansonsten nur noch in der Traditionself eingesetzte "treue Charly" am liebsten selbst im Europa-League-Halbfinale zwischen West Ham United und Eintracht Frankfurt (Donnerstag, 21 Uhr, RTL) mitmischen würde. Zur nachträglichen Wiedergutmachung des Scheiterns vor 46 Jahren.

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Zuerst blieb damals der Bus vom The Dorchester Hotel an der Park Lane stundenlang im Stau stecken, sodass Trainer Dietrich Weise seine Spieler anwies, sich im Bus die gelben Jerseys überzustreifen, die für Körbel bis heute "die hässlichsten Trikots waren, in denen wir jemals gespielt haben". Danach konnte der deutsche Pokalsieger dem englischen Powerplay auf einem "schlammigen Acker" (Körbel) im mittlerweile abgerissenen Upton Park nicht standhalten. Seit 2016 spielen die "Hammers" im Londoner Olympiastadion, wo sich nun zwei Vertreter des gehobenen Mittelstandes der Premier League und der Bundesliga duellieren, die es gewissermaßen hingenommen haben, dass ihnen finanzkräftigere Vereine enteilt sind.

Ihre einzigen Triumphe auf internationaler Bühne liegen lange zurück: West Ham gewann 1965 gegen 1860 München (2:0) den längst eingemotteten Europapokal der Pokalsieger, die Eintracht holte 1980 gegen Borussia Mönchengladbach (2:3, 1:0) den inzwischen umbenannten UEFA-Cup.

Deren Nachfolger, die Europa League, bringen zwei traditionsreiche Marken mit großer Fanbasis höchste Wertschätzung entgegen. West Ham, der Siebte der Premier League, ist das Team mit den wenigsten Gegentoren und hat den Europa-League-Spezialisten FC Sevilla und Olympique Lyon eliminiert. Die Eintracht, der Neunte der Bundesliga, ist noch ungeschlagen und hat Betis Sevilla und den Topfavoriten FC Barcelona düpiert.

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Nach der von einer epochalen Fanunterstützung begleiteten Sensation im "Jahrhundertspiel" hat Trainer Oliver Glasner „vom emotionalen Lohn, den du dir für kein Geld der Welt kaufen kannst“, geschwärmt und dieser Tage ausgerufen: "Jetzt gibt es keine Müdigkeit! Jetzt gibt es Freude, jetzt gibt es Begeisterung, jetzt geht’s in die Finals." Vorstandssprecher Axel Hellmann sieht gar eine ganze Region in einem Rausch. Da gerade Herz und Verstand ins Gleichgewicht zu bringen fällt einigen Funktionären nicht so einfach.

Frankfurt-Boss Fischer hadert mit geringem Kartenkontingent für Gäste-Fans

Präsident Peter Fischer hat im ZDF-Sportstudio heftig über die englischen Gastgeber hergezogen, die unter allen Umständen die spanischen Verhältnisse verhindern wollen, nachdem 30.000 Eintracht-Fans das Camp Nou kaperten. Diesmal stehen dem Gast exakt 3000 Tickets zu – und mehr deutsche Anhänger sollen sich auch bitte nicht im Stadion befinden. "Das ist der größte Dreck", schimpfte Fischer. Das emotionale Sprachrohr kündigte an, dass sich auf jeden Fall mehr als 3000 Frankfurter in London befinden werden. Ausschreitungen sind nicht ausgeschlossen, da es schon in Sevilla rund um die beiden Achtelfinals zu Krawallen der Fanlager kam. Fischer: "Das kann passieren."

Unbenommen, dass die Adlerträger bei ihrer dritten Europa-League-Teilnahme binnen vier Jahren erneut enorm viel erreicht haben. Aufsichtsratschef Philip Holzer rechnete hoch: "Eine Halbfinal-Teilnahme in der Europa League ist aus unserer Perspektive so wertvoll wie der Einzug in die Champions-League-Gruppenphase." Die Königsklasse würde übrigens herausspringen, wenn Frankfurt auch das Finale am 18. Mai in Sevilla gewänne – eine andere Möglichkeit zur internationalen Teilnahme gibt es nicht mehr.

Am liebsten sind auch der Eintracht die schillernden Bühnen. So wie 2019, als nach Siegen gegen Benfica Lissabon oder Inter Mailand der Traum vom Europa-League-Finale erst im Elfmeterschießen beim FC Chelsea zerplatzte. "Wir haben mit London noch eine Rechnung offen", erinnert Hellmann. Es gibt also Korrekturbedarf über die Vita eines Karl-Heinz Körbel hinaus.

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