Einen Wiedereinstieg in die Atomkraft wird es mit den Grünen nach Aussage der Parteichefin Ricarda Lang nicht geben. Das sagte die Grünenvorsitzende nach Äußerungen des Bundesfinanzministers Christian Lindner (FDP) im ZDF-Sommerinterview. Lindner hatte vorgeschlagen, dass die noch laufenden drei Atomkraftwerke notfalls bis 2024 am Netz bleiben müssten. Ähnlich hatte er sich in der Bild am Sonntag geäußert. Lang interpretierte dies als Forderung, den Atomausstieg Deutschlands zurückzudrehen. "Das, was Christian Lindner da will, ist nichts anderes als der Wiedereinstieg in die Atomkraft. Und das wird es mit uns auf jeden Fall nicht geben", sagte Lang nun. 

Lang beklagte eine "Unernsthaftigkeit" in der Debatte. Atomkraft sei eine Hochrisikotechnologie. Zwar machten sich viele Menschen nach dem Wegbrechen der russischen Gasimporte Sorgen um die Gasversorgung und Energieversorgung. Es müssten aber Antworten gegeben werden, die auch tatsächlich zum Problem passten. "Wir haben ein Wärmeproblem, kein Stromproblem", sagte Lang. Die Gaskraftwerke in Deutschland werden Lang zufolge nur zu einem sehr kleinen Teil für die Stromproduktion eingesetzt und könnten nur zu einem kleinen Teil durch die Atomkraft ersetzt werden.

Die drei noch laufenden Atomkraftwerke sichern derzeit etwa sechs Prozent der Stromproduktion in Deutschland, die zum Teil auch exportiert wird, etwa nach Frankreich. Vergangenes Jahr wurden 12,6 Prozent des deutschen Stroms – 65,2 Milliarden Kilowattstunden – in Gaskraftwerken produziert. Das entspricht dem Anteil des Atomstroms von 2021.   

Lang machte deutlich, sie wolle einen zweiten Stresstest zur Sicherheit der Stromversorgung in Deutschland abwarten. Dieser Test ist derzeit bei der Bundesregierung in Arbeit. Ein erster Test hatte ergeben, dass die noch laufenden AKW nicht weiterbetrieben werden müssten, um die Stromversorgung zu sichern. 

Lang warb zudem für Entlastungen angesichts steigender Energiekosten. Entlastet werden müssten gerade Hartz-IV-Empfänger, aber auch Menschen, die knapp darüber seien, ein geringes Einkommen haben, aber nichts ansparen konnten und einen großen Teil ihres Geldes für Lebensmittel, für Wohnen und Heizen ausgeben. "Die müssen wir entlasten", sagte Lang. Zur Finanzierung sprach sie sich für eine Übergewinnsteuer aus. "Wir sehen jetzt, dass Unternehmen wie Shell einen explodierenden Gewinn gemacht haben", sagte die Grünen-Politikerin. "Das ist wirklich mal ein Punkt, wo ich sagen würde, Gerechtigkeit first, Bedenken second." 

Die politische Ausgangslage aber sei schwierig, sagte sie mit Blick auf die FDP. Der Koalitionspartner ist gegen eine Übergewinnsteuer. Es müssten alle bereit sein, über ihren Schatten zu springen, sagte Lang. "Das erwarte ich auch vom Koalitionspartner. Auch die SPD ist für eine solche Steuer: "Die SPD wird einen neuen Anlauf nehmen, eine Übergewinnsteuer für Konzerne einzuführen, die sich an der Krise bereichern", sagte Parteichefin Saskia Esken der Neuen Osnabrücker Zeitung. Besteuert werden in Deutschland bisher nur die Gewinne von Unternehmen.