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Kommentar zu Brasiliens Politik
Eine Abfuhr für den Kanzler

Brasiliens Präsident Lula will zusammen mit China im Ukrainekrieg vermitteln. Die Friedensinitiative sei von vornherein zum Scheitern verurteilt, kommentiert Thilo Kößler. Stattdessen könnte sie zur Stolperfalle werden – auch für Kanzler Scholz.

Ein Kommentar von Thilo Kößler | 31.01.2023
Brasilien, Brasilia: Bundeskanzler Olaf Scholz (l, SPD) wird von Luiz Inacio Lula da Silva, Präsident von Brasilien, in dessen Amtssitz empfangen.
Der frisch gewählte Präsident Lula brachte sich als treibende Kraft für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine ins Gespräch (Kay Nietfeld/dpa)
Man hätte es wissen können, dass Lula da Silva sich nicht bewegen würde – so sah es denn nach einer Abfuhr für den Kanzler aus. Der brasilianische Präsident schließt sich auch weiterhin nicht den Wirtschaftssanktionen gegen Putin an. Und Olaf Scholz blitzte mit der Bitte ab, dringend benötigte Munition für den Gepard-Panzer bereitzustellen – unter Hinweis darauf, dass Brasilien ein Land des Friedens sei, wie Lula süffisant bemerkte: Er wolle keinerlei Beteiligung an diesem fernen Krieg in Europa riskieren, auch nicht indirekt.
Was noch schwerer wiegt als diese Anspielung auf die kontroverse deutsche Debatte über die Waffenlieferungen an die Ukraine, war dieser Vorschlag des brasilianischen Staatschefs: eine Gruppe starker und respektierter Staaten zu bilden, die versuchen solle, in diesem Konflikt zu vermitteln. Der frisch gewählte Präsident brachte sich als treibende Kraft für Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine ins Gespräch – wobei neben Brasilien vor allem China seine Autorität einbringen solle.

Der Westen steht als Bremser da

Ausgerechnet Brasilien, das dem ukrainischen Präsidenten eine Mitschuld am Krieg zuweist, wie Lula da Silva in einem Interview erklärte. Und ausgerechnet China, das sich bis heute nicht dazu durchringen konnte, Russlands Vorgehen in der Ukraine zu verurteilen. Dabei dürfte Lula kaum entgangen sein, dass China just tags zuvor den Ton deutlich verschärft hatte, indem es die Vereinigten Staaten für den Krieg in der Ukraine verantwortlich machte. Ein Affront, der kaum dazu angetan ist, das Vertrauen in die chinesische Rolle in diesem Konflikt zu stärken – weder auf Seiten der USA, noch auf Seiten Deutschlands.
Olaf Scholz musste sich neben seinem brasilianischen Gastgeber umso unwohler fühlen, als mit Lulas Offensive der grundsätzliche Dissens deutlich wurde: Gibt es doch bis dato nicht die geringsten Aussichten auf einen Verhandlungserfolg. Russland hat noch keinerlei Bereitschaft erkennen lassen, von seinen Maximalzielen in diesem Krieg abzulassen – der physischen Vernichtung der Ukraine. Das weiß Scholz. Lulas Friedensinitiative ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Stattdessen könnte sie noch zur Stolperfalle werden. Während sich Brasilien und China als Friedensmotor in Szene setzen, steht der Westen als Bremser da. Das ist keine gute Verteilung neuer Rollen: Olaf Scholz kann nicht daran gelegen sein, als Teil einer westlichen Front der Verhandlungsverweigerung zu erscheinen.